Als ich einer Kunstkollegin von meinem neuen Projekt Schurwolle berichtete, hatte sie sofort eine Idee: Schamhaar. Das ist eine witzige Assoziation – war und ist allerdings ausnahmsweise mal nicht gemeint. Ich hatte eher sozialethische Fragen im Kopf: Seit einem Jahr übertönt das Kriegsgeschrei alle anderen Gedanken. Öffentlich und individuell. Selbst jene Themen, von denen unser aller Überleben abhängig ist, werden in den medialen Debatten an den Rand gedrängt, verschwinden teilweise sogar aus der Öffentlichkeit. Und in der Folge scheinen viele Menschen nicht einmal mehr darüber nachdenken zu können oder zu wollen. Dies gilt nicht nur (wirklich fatal!) für Klimawandel und Artensterben,. Es betrifft ebenso andere Risiken, mit denen wir in den nächsten Jahren konfrontiert sein könnten – etwa der Aufstieg einer KI-basierten Superintelligenz oder auch die um sich greifende Genmanipulation von Pflanzen und Tieren. Zum letzteren Problemkreis gehört die Hybridisierung, die in absehbarer Zukunft auch zur Entstehung von Mischwesen zwischen Mensch und Tier führen könnte. Manchen mag das zu weit hergeholt sein – in kleinem Maßstab wird aber schon lange damit experimentiert. Etliche Biotech-Konzerne arbeiten daran, menschliches Erbgut in tierische Keimzellen einzuschleusen. Und vielleicht sogar umgekehrt – auch wenn dies heute noch ein Tabu ist … und uns bisher nur fiktional gruseln lässt. Doch das könnte sich ändern. Die Frage scheint nicht ob, sondern eher wann die ersten Mensch-Tier-Hybriden geboren werden. Mein Zyklus Schurwolle soll dieses Thema – im doppelten Sinne: oberflächlich betrachtet – in launiger und ästhetisch ansprechender Form adressieren. Und dabei eher spielerisch (wie es die Kunst eben so macht) die unter jener Oberfläche lauernden ethischen Fragen der Reflexion zugänglich machen. Der Projektname ist dabei der ganz und gar wolligen Textur geschuldet, die an der Entstehung aller Bilder beteiligt war. (Dank an Natja von O. für den wolligen Rohstoff.)
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Das Tier
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Wollschuppen
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Die Kronprinzessin
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Die Weisheit des Buches – Fassung 2
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Strickhaut
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Metamorphose
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Bild oben: Bestrickt
Musiktipp: Miles Davis: Bags‘ Grove – ein Klassiker aus dem Jahre 1954 (die CD ist von 2008).
Nachtrag
Herr M. aus O. fragt: Hättest Du den Beitrag nicht auch „Woll-Lust“ nennen können?
Kytom L. antwortet: Ja, das wäre möglich gewesen. Ich hatte zunächst auch an „Menschen – Tiere – Sensationen“ gedacht. Doch das hätte zu Missverständnissen führen können. Für Teil II denke ich noch mal neu über die Titel-Fragen nach.
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